Carl Ludwig Hübsch

Die Welt der Guermantes - Auszug

Marcel Proust

Leute von Geschmack sagen uns heute, Renoir sei ein grosser Maler des vorigen Jahrhunderts.
Aber wenn sie das sagen, vergessen sie die Zeit, nämlich wieviel davon sogar noch im gegenwärtigen vergehen sollte, bis Renoir als grosser Künstler gewürdigt worden ist.

Um zu solcher Anerkennung zu gelangen, muss ein originaler Maler, ein originaler Künstlervorgehen wie etwa ein Augenarzt.
Die Behandlung durch ihre Malerei,ihre Prosa ist nicht immer angenehm.
Wenn sie beendet ist, sagt der, der sie ausgeführt hat, zu uns: Jetzt sehen Sie einmal!

Und nun kommt uns die Welt (die nicht einmal erschaffen wurde, sondern so oft, wie ein Künstler von persönlicher Eigenart aufgetreten ist) ganz anders vor als die frühere, jedoch überzeugend und klar.
Frauen gehen die Strasse entlang, die völlig anders aussehen als die von ehedem, weil sie Renoirs sind, eben jene Renoirs, in denen wir früher überhaupt keine Frauen zu erkennen meinten.
Auch die Wagen sind Renoirs, das Wasser und der Himmel; wir haben Lust, in dem Walde spazierenzugehen, der uns am ersten Tage wie alles andere als ein Wald vorkam, eher zum Beispiel wie eine Stickerei mit vielen Farbtönen, in denen aber gerade diejenigen fehlten, die einen Wald ausmachen.
Das ist die neue, vergängliche Welt, die jetzt erschaffen wurde. Sie wird bis zur nächsten erdgeschichtlichen Katastrophe dauern, die durch einen neuen Maler und einen neuen Schriftsteller von originaler Prägung heraufgeführt werden wird.