Carl Ludwig Hübsch

Carl Ludwig Hübsch

Starkes Netzwerk unter Strom

Konzertecho von Carl Ludwig Hübsch, Januar 2015 

das INSUB META ORCHESTRA am 23.Januar 2015 im Loft

Gut, dass es das Loft gibt. An diesem Ort bietet sich wie an keinem anderen in Köln die Möglichkeit, die dargebotene Musik auf Tuchfühlung, intim, quasi in Wohnzimmer-Atmosphäre zu erleben, und das bei einem Duo genauso wie bei einem Orchester, bei internationalen wie bei lokalen Ensembles. Am 22. Januar gab es Gelegenheit, das „INSUB META“ Orchester aus Genf zu hören, das 23 Musikerinnen und Musiker aus der Schweiz, aber auch aus Deutschland und Frankreich vereint. In konzeptuellen Stücken zeigte das Ensemble, dass Improvisation nicht im Widerspruch zu Komposition steht, sondern dass eine strikte Vorgabe ein Mittel sein kann, klare Entscheidungen der Musiker zu erzwingen und so einen fein austarierten Ensembleklang zu erzeugen.

Drei Stücke standen auf dem Programm des Abends, entsprechend der letztenVeröffentlichung des Orchesters (Download-Code statt CD: Ein Modell, das keinen unnötigen Sondermüll produziert, Musiker bitte drüber nachdenken).

Das erste Stück bestand aus wiederkehrenden Klangflächen, die durch lange Pausen unterbrochen waren. Das Klangmaterial war von Fläche zu Fläche unterschiedlich, doch mit Fortdauer des Stückes wurde klar, dass jeder Spieler für sich nur minimal variierte. Die Entscheidung über Dauer der Pause und Moment des Wiedereinsetzens kam aus dem Ensemblekollektiv, das sozusagen gemeinsam atmete. Vom ersten Ton an war spürbar, dass hier jeder Klang vertraut ist und in ein wohldosiertes Verhältnis zu den anderen Instrumenten/Spielenden gesetzt wird; fast neutral, wissenschaftlich, getragen von einer gelassenen, durchaus angenehmen Ruhe der Spielenden, die sich auf das Publikum übertrug. So ein Spiel erlaubt Blicke aufs Detail. Beispielsweise erzeugte – bei den durchaus sehr langen Pausen – der Moment kurz vor dem nächsten Einsatz eine faszinierende Dichte, schien die Farbe des kommenden Klanges fast schon vorweg zu nehmen.

Das zweite Stück bestand aus nach Instrumentengruppen unterteilten Klang- oder Textur-Flächen. Vier Komponenten, Saxophone, Streicher, Percussion und Elektronik, wurden fast wie bei einem improvisierenden Quartett zueinander gesetzt, übereinander gelegt, wechselten sich ab. Erstaunlich war die Homogenität der Geräusche, hörbar die Feinarbeit, die das Ensemble an der Mischung von Geräusch und Klang seit Jahren geleistet hat. Jede Musikerin, jeder Musiker stellte sich ganz in den Dienst seines Satzes, der  offensichtlich kollektiv organisiert war und zusammen hörend, im Moment agierte. Hier ordnen sich versierte Improvisatoren und – dem Instrumentarium nach zu urteilen – ausgeprägte Individualisten dem gemeinsamen Klangprozess unter, ohne dabei ihre Verantwortung abzugeben. Das Hören geschieht in der Mitte des Klanges.

Das dritte Stück war vielleicht das extremste: Circa eine halbe Stunde lang wurde ein Klang, ein weißes Rauschen gleichsam in der Schwebe gehalten. Das Geräuschgemisch wuchs mehr und mehr zusammen, wurde immer homogener, klang schließlich wie aus einem Mund bzw. Lautsprecher und doch öffnete es gleichsam die Ohren der Zuhörenden. Kleinste Änderungen der Klangfarbe, feinste Bewegungsklänge und Klangbewegungen wurden prominent. Die Musiker hielten konsequent die Spannung, jeder Moment wurde auf den Prüfstand des gemeinsamen Ganzen gestellt. Spielende wie Publikum lieferten sich dem Klang aus. Und so blieb dieses monochrome Musikstück stets interessant, wurde aus der Reduktion kein Zwang, sondern sie öffnete: den Raum und die Musik.

Ob man hier nun improvisierte Musik gehört hat? Schwer zu sagen. Aber MUSIK hat man gehört. Wer im Loft war, hat sie erlebt.